Sich selbst akzeptieren

Sich selbst akzeptieren: Ein schonungsloser Blick hinter die Kulissen

Ich glaube, einer der stärksten Gründe dafür, dass sich viele Menschen nicht glücklich und erfüllt fühlen, ist ihre fehlende Selbstakzeptanz. Sie können sich so, wie sie gerade sind, nicht annehmen. Sie denken, sie müssten irgendwie anders sein, selbstebewusster, reicher oder intelligenter, damit sie ein glückliches Leben führen können. Doch nicht etwa der Mangel an Selbstbewusstsein und Geld schafft Unglück und Leid.

Unglück und Leid entstehen, wenn wir uns selbst ständig Vorwürfe machen und uns als defekte Maschine betrachten, die wir erst reparieren müssen, bevor sie wieder wertvoll ist.

Deshalb ist sich selbst akzeptieren zu lernen der Schlüssel, um in Einklang mit sich selbst zu kommen. Doch viele Menschen sehen als einzigen Weg, sich gut zu fühlen, Ziele im Außen zu erreichen.

  • „Wenn ich erst einmal meinen Traumpartner gefunden habe, dann bin ich glücklich.“
  • „Wenn ich die Beförderung bekommen und mehr Gestaltungsfreiraum im Job habe, dann geht es mir gut.“
  • „Wenn ich in 10 Jahren mein Eigenheim abbezahlt und meine Kinder großgezogen habe, dann fängt das wahre Leben an.“
  • „Wenn ich erst mein Selbstbewusstsein aufgemöbelt habe, dann wird mein Leben abenteuerreicher und spannender werden. Dann wird es mir gut gehen.“

Ich kenne kaum jemanden, der nicht auf die eine oder andere Art und Weise sein Glück in der Zukunft sucht. Doch genau dieses Verhalten führt zu Unglück und schlechten Gefühlen. Denn was zeigen wir uns unbewusst, wenn wir solche Gedanken haben und die Zukunft glorifizieren?

Wir zeigen uns, dass wir im Hier und Jetzt nicht gut genug sind. Wir signalisieren uns, wir müssten uns verändern oder die Umstände müssten sich verändern, um endlich vollkommen zufrieden mit uns sein dürfen.

Doch das ist der große Trugschluss, dem wir alle aufsitzen. Denn um uns glücklich zu fühlen brauchen wir kein teures Auto oder den neuen Posten in der Firma.

Sich selbst akzeptieren

Um uns im Hier und Jetzt vollkommen glücklich und zufrieden fühlen zu können, braucht niemand mehr, als sich selbst akzeptieren zu können. Wenn wir erkennen können, dass wir jetzt schon vollkommen in Ordnung sind und deshalb jetzt schon das Recht auf all diese guten Gefühle haben, dann werden sie auch in unser Leben kommen.

Doch von Kindesbeinen wurde uns anerzogen, dass wir erst etwas leisten müssen, um liebenswert sein zu können. Jeder von uns hat Sprüche gehört wie: „Sei schön fleißig in der Schule, damit aus dir mal was Ordentliches wird“. „Was wird“ – das bedeutet, momentan reicht es noch nicht. Jetzt bist du noch unfertig. Du musst dich erst abrackern, Leistung bringen und ein anderer Mensch werden, damit du etwas bist.

Das ist der ultimative Todesstoß für jegliches Selbstwertgefühl. Wenn obendrein Zuneigung und Liebe noch an Bedingungen geknüpft werden, dann verstärkt das noch unser Bild von uns selbst, etwas würde mit uns nicht stimmen und wir müssten alles daran setzen, das wieder in Ordnung zu bringen.

Doch nichts könnte weiter entfern von der Wahrheit sein. Denn in Wirklichkeit bist du perfekt so, wie du bist.

Es gibt nichts zu beweisen.

Du kannst alle Leistung der Welt bringen, aber sie wird dir niemals wahre Zuneigung und Liebe bringen. Dich selbst lieben lernen kannst nur du selbst.

Wer sich selbst akzeptieren will, der kommt um eine ausführliche Beschäftigung mit sich nicht herum. Wir dürfen lernen, uns wieder mehr auf uns selbst zu konzentrieren. Wir dürfen uns selbst kennenlernen und schauen, woher dieser ständige Drang, uns zu beweisen und etwas leisten zu müssen, denn kommt.

Aber noch viel wichtiger: Wir dürfen uns verzeihen lernen. Wir dürfen lernen uns so anzunehmen, wie wir sind. Wir dürfen auch unsere sogenannten Schwächen genau ansehen, in sie hineinspüren und dann entscheiden, dass sie eben ein Teil von uns sind, der gerade nun einmal da ist. Erst dann können wir beginnen, an uns zu arbeiten.

Ich persönlich bin übrigens ein großer Fan von Persönlichkeitsentwicklung. Es gibt wenig Dinge, die mir mehr Freunde machen, als mich weiterzuentwickeln. Jedoch passiert das bei mir nicht aus dem Grund, mir oder der Welt meinen Wert zu beweisen. Es passiert aufbauend auf einem soliden Fundament der Selbstakzeptanz. Ich entwickle mich weiter, weil die Tätigkeit an sich mir Spaß macht, nicht damit ich ein besserer Mensch werde und anderen oder mir meinen Wert als Person unter Beweis stellen muss.

Sich selbst akzeptieren lernen – wie funktioniert es?

Um sich selbst akzeptieren zu lernen ist es wichtig, zuerst einmal unsere alten Selbstverurteilungen herauszufinden und sie Schritt für Schritt in Frage stellen. Wenn du beispielsweise glaubst, du müsstest im Job erfolgreich sein, um geliebt zu werden, dann frage dich, ob das wirklich stimmt.

Halte dir vor Augen, dass du das höchstwahrscheinlich irgendwann einmal in deiner Kindheit aufgeschnappt und vollkommen unreflektiert auf dein Erwachsenenleben bezogen hast. Lerne, dass du einfach so gut genug bist, ohne dass du dafür etwas leisten musst. Doch das ist nicht so einfach, wie es hier geschrieben steht. Es wirken da oft Mechanismen, sie sich über Jahre hinweg eingeschlichen haben. Wir können also nicht von Heute auf Morgen entscheiden, das alles hinter uns zu lassen und uns jetzt auf der Stelle komplett selbst zu akzeptieren.

Es gibt jedoch ein Gedankenkonstrukt, das mit persönlich sehr geholfen hat, mehr mit mir ins Reine zu kommen und meinen Selbstverurteilungen relativ schnell und mühelos beizukommen.

Wege, sich selbst akzeptieren zu lernen

Irgendwann habe ich realisiert, dass es der einzige Antrieb eines jeden Menschen ist, sich gut zu fühlen. Das bedeutet, hinter jeder Aktion jeden einzelnen Menschen steckt eine gute Intention.

Auch wenn sie noch so verborgen ist, ist sie doch da.

Wenn du irgendwann einmal gelernt hast, dass du etwas leisten musst, um liebenswürdig zu sein, dann ist das aus genau diesem Antrieb entstanden. Du hast nach Möglichkeiten gesucht, dich gut zu fühlen. Liebe und Zuneigung von Eltern, Lehrern oder Freunden fühlt sich gut an. Du hast 1+1 zusammengezählt und dich so verhalten, wie es in deiner Welt zu maximaler Anerkennung und Zuneigung führen wird.

Das ist vollkommen okay so. Du wusstest es nicht besser. Das zu verstehen ist der Schlüssel um sich selbst akzeptieren zu können. Du handelst immer nur aus einer einzigen Intention heraus. Aus der Intention, dich gut zu fühlen.

Was bedeutet das also für dich?

Es bedeutet, dass es keinen Sinn macht, mit dir zu hadern. Denn egal, was du getan hast, egal welcher Fehler dir unterlaufen ist, du hast immer nur versucht, das Beste für dich herauszuholen.

Innerhalb deiner Möglichkeiten. Innerhalb deiner Bewusstheit. Deine Bewusstheit hat in diesem Moment schlicht keinen besseren Weg zugelassen. Es macht also wenig Sinn, sich von Fehlern oder Missgeschicken zu Rückschlüssen auf den eigenen Wert verleiten zu lassen. Gerade in solchen Situationen dürfen wir uns selbst behandeln, wie den besten Freund. Gerade jetzt haben wir es nötig.

Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem wir uns fragen müssen, was wir in dieser Situationen brauchen. Wir müssen in uns hineinhorchen und unsere wirklichen Bedürfnisse spüren, anstatt uns weiterhin mit Selbstvorwürfen zu quälen. Wir dürfen uns Selbstmitgefühl entgegenbringen.

  • Wenn wir Liebe und Zuneigung brauchen, dann dürfen wir sie uns jetzt geben.
  • Wenn wir einen aufbauenden und respektvollen kleinen Tritt in den Hintern brauchen, dann dürfen wir jetzt auch dafür sorgen, dass wir diesen bekommen.
  • Es bedeutet zu wissen, was gerade richtig für dich (und zwar NUR für dich) ist.

Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass immer eine Ringelpietz-mit-Anfassen-wir-haben-uns-alle-lieb-Atmosphäre herrschen soll. Es bedeutet nur, dass wir unnötige und unproduktive Selbstgespräche und Selbstverurteilung den Garaus machen!

Genau aus diesem Grund können wir uns selbst verzeihen und uns selbst mehr akzeptieren. Wir haben immer versucht, nur das Beste für uns herauszuholen. Eine tief bewundernswerte Intention. Deswegen können wir stolz auf uns sein.

Seine Gefühle beobachten und da sein lassen

Sehr vielen Menschen fällt es unglaublich schwer, ihre Gefühle zuzulassen. Sie verurteilen sich für ihre Gefühle. Sie sind wütend, ängstlich oder mit Scham behaftet. In ihrem Inneren tobt ein Kampf gegen diese Gefühle.

Höchstwahrscheinlich wurde uns auch irgendwann einmal beigebracht, dass es nicht schick ist, solche Gefühle zu fühlen. Da Anpassung unsere einzige Möglichkeit war, unserem Bedürfnis nach Zuneigung gerecht zu werden, haben wir uns als defekte Maschine identifiziert und alles daran gesetzt, unsere Gefühle zu unterdrücken.

Heute, als erwachsene Menschen, sind diese Mechanismen immer noch präsent. Kommt Wut in uns auf, dann unterdrücken wir sie völlig unbewusst. Sie setzt sich dann in unseren Körpern als Unruhe oder Anspannung fest, ohne dass wir wissen, woher so etwas kommen mag.

Damit können wir wunderbar umgehen, indem wir achtsam mit unseren Gefühlen umgehen. (Weitere Achtsamkeitsübungen findest du in meinem Artikel) Wenn wir lernen, unsere Gefühle zu beobachten und sie da sein zu lassen, anstatt Widerstand gegen sie zu leisten und sie mit allen Mitteln zu bekämpfen, dann holen wir so eine ganze Menge Selbstakzeptanz in unser Leben.

Indem wir unseren Gefühlen erlauben, da zu sein und ihnen unsere Aufmerksamkeit geben, geben wir gleichzeitig uns selbst eine Menge Aufmerksamkeit. Wir lassen die Gefühle da und akzeptieren sie, und bauen so Selbstakzeptanz auf. Du kannst das üben, indem du lernst, deine Gefühle mehr auf einer körperlichen Ebene wahrzunehmen. Wenn du dein Gefühl wirklich einmal unter die Lupe nimmst und alle mentalen Interpretationen außen vor lässt, dann wird es dir viel leichter fallen, mit ihnen umzugehen. (Einige praktische Anregungen dazu findest du übrigens in diesem Artikel zum Thema Achtsamkeit lernen)

Seine Gedanken beobachten und da sein lassen (die innere Stimme)

Die lieben Gedanken. Sie sind unser treuster Begleiter. Doch was sind Gedanken? Vereinfacht gesagt, sind es Selbstgespräche, die wir mit uns führen. Einen großen Bestandteil haben auch noch die Bilder in unserem Kopf. Viele dieser Gedanken laufen tagtäglich vollkommen unbemerkt von uns in Dauerschleife ab.

Wir haben sie schon so oft gedacht, dass sie unbemerkt von uns, aus dem Unterbewusstsein heraus, ihre Kreise ziehen. Doch haben unsere Gedanken einen gehörigen Einfluss darauf, wie wir uns fühlen. Jedes Mal, wenn wir Dinge denken wie:

  • „Ich muss mich mehr anstrengen.“
  • „Wieso war ich gestern wieder so faul?“
  • „Warum kann ich nie etwas zu Ende bringen?“
  • „Ich muss selbstbewusster werden.“
  • „Ich muss …“

Dann zeigen wir uns damit, dass wir uns nicht selbst akzeptieren sondern etwas an uns auszusetzen haben. Etwas scheint ja offensichtlich nicht richtig zu sein mit uns, sonst müssten wir ja nicht den ganzen Tag an uns herumkritisieren. Diese Gedanken laufen oftmals völlig unbemerkt von uns ab und sorgen deshalb für schlechte Gefühle. Wir wissen dann oft noch nicht einmal, woher diese Gefühle stammen. Wir wissen nur, dass wir ein diffuses Unwohlsein in uns spüren.

Um sich selbst akzeptieren zu lernen und mit solchen Gedanken besser umgehen zu können hilft es nicht, solche Gedanken loswerden oder verändern zu wollen. Das ist auch möglich, jedoch erst der zweite Schritt. Als erstes heißt es, solche Gedanken zu erkennen. Wir müssen uns wirklich Zeit für uns nehmen und die Beziehung zu uns selbst stärken. Wir dürfen uns selbst besser kennenlernen und herausfinden, was da eigentlich in unserem Oberstübchen so abgeht. Auch hier ist es wieder wichtig, wenig zu werten und einfach nur zu beobachten. Was passiert dort? Was flüstert mir mein Verstand tagtäglich ein?

Auch hier gilt es wieder, die Beobachterrolle einzunehmen und möglichst wenig zu werten. Es bringt niemanden etwas, wenn wir uns auch noch dafür fertigmachen, dass wir uns selbst mental fertigmachen. Schau dir die Gedanken an, erkenne sie, und lasse sie dann weiterziehen. Das erfordert ein wenig Übung. Wenn du aber lernen kannst, deine Gedanken nicht zu verurteilen, dann kannst du dich selbst besser akzeptieren. Das ist der Schlüssel zu mehr Selbstakzeptanz und dazu, sich selbst gut genug zu sein. Meditation lernen ist übrigens ein sehr guter Schritt, um dieses Ziel zu erreichen.

Diese beiden Gewohnheiten stellen die absoluten Basics da, wenn es darum geht, sich selbst akzeptieren zu lernen. Natürlich dauert es ein wenig, sie zu erlernen und zu üben. Jahrelange Konditionierungen lassen sich in den wenigsten Fällen von heute auf morgen aufbrechen. Wenn du diese beiden Gewohnheiten jedoch in dein Leben integrierst, dann hast du schon die halbe Miete drin.

6 Kommentare
  1. Claudia
    Claudia sagte:

    Hallo Tim,

    toller und sehr hilfreicher Artikel!
    Die Tipps kann man wirklich auf alle Lebensbereiche anwenden.
    Bei meinen Kundinnen sind es häufig genau diese Selbstverurteilungen, die sie daran hindern, ein erfülltes Leben als Frau mit einer erfüllten Sexualität zu leben.

    Danke für diesen Artikel!

    Viele Grüße
    Claudia

    Antworten
  2. Andrej
    Andrej sagte:

    Hallo Tim,
    guter Beitrag, allerdings möchte ich eine Aussage bei den Wenn-Dann-Zitaten ergänzen, die oft vergessen wird:

    “Wenn ich mich selbst akzeptiere, dann kann ich ein erfülltes Leben führen.“

    Fakt ist, man kann dieses “Akzeptieren“ auch als ein weiteres Spielzeug, dem man hinterher rennt verwenden. Und ab hier wird es schwierig.

    Antworten
    • Tim Hamer
      Tim Hamer sagte:

      Da hast du Recht. Dann müssen wir eine Ebene tiefer gehen und auch akzeptieren, wenn wir uns nicht akzeptieren :)

      Und so weiter, und so fort…

      Irgendwann kommen wir an ;)

      Antworten
  3. Robin
    Robin sagte:

    Hallo Tim,
    ich bin 20 Jahre alt und zweifle sehr stark an mir. Ich ziehe mich schon lange von der Gesellschaft zurück und habe es immer anderen recht machen wollen und so meine eigenen Interessen hinten angestellt und heute vielleicht sogar völlig vergessen. Ich finde, dass es auch langsam aber sicher keine Frage des Selbstbewusstseins mehr ist, sondern schlicht weg eine immer währende Unfähigkeit die Herausforderungen und auch bestimmte Alltagssituationen anzunehmen und anzugehen. Ich kann nur noch zu Hause rumsitzen und mit mir Selbstgespräche darüber führen, wie das alles so schlimm werden konnte. Wenn ich das akzeptiere, dann muss ich früher oder später wohl auch akzeptieren, dass ich auf der Straße landen werde, ohne jegliche Zukunft.

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  1. […] diesem Grund hat mein Bloggerkollege Tim Hamer einen grandiosen Beitrag zum Thema “Sich selbst akzeptieren” […]

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